Angela Aux - Instinctive Travels on the Paths of Space and Time

Angela Aux - Instinctive Travels on the Paths of Space and Time

Wow - das ist endlich mal wieder einer! Der leibhaftige .. Künstler. Poet und Musikerin Angela Aux. Solche brauchen wir dringend. Denn daran, was für Künstler:innen sich eine Gesellschaft leistet, was für Künstler:innen sie hervorbringt, können wir den Grad der Zivilisationsentwicklung messen.

Was machen Künstler:innen in einer Gesellschaft? Sie haben jedenfalls nicht unbedingt die Antwort, vielleicht noch nicht einmal Fragen, aber sie geben uns die Prismen ihrer Wahrnehmung, in denen sich glitzernd unsere Welt bricht. Erfrischende Erkenntnisse. Die richtigen Reflexionen.

Dafür hat Angela Aux sich ein Kleid und eine Perücke angezogen, um zu verhindern, dass alle denken, Florian Kreier erzähle aus seinem Alltag. Wie schon auf den vorigen Alben geht es Angela Aux auch auf „Instinctive Travels on the Paths of Space and Time“ wieder um sehr fein erzählte psychologische Innerlichkeit - aber genauso sehr um die der Zuhörenden wie die des Singenden. Alles Spiegel, nichts verkehrt.

Auf diesem Album schöpft Angela Aux aus unserer gesamten Kultur: von der Jesus-Geschichte über Nietzsche („Yesterday“) bis zu den Visionen des Silicon Valley samt KI und zu Verschwörungstheorien („Missing Link“). Und das ist gar nicht technisch-abgefahren, im Gegenteil, es ist organisch, und geradezu basic. Denn das ist ja das große Missverständnis, dass Science-Fiction von Technischem und Erfundenem erzählt. Die Zukunftsprojektion von Science Fiction gründet ja immer in der Conditio Humana, in den Bedingungen des Mensch-Seins. Es geht um ganz elementare Fragen: Was ist ein Mensch? Was unterscheidet ihn von der Maschine? Was für Illusionen und Visionen baut er sich und was haben die für eine Funktion? Funktioniert das überhaupt?

Aber jetzt, 2022, ist Künstliche Intelligenz immer noch eher EDV als Robocop. Die Technik interessiert Angela Aux auch weniger als diese andere Kraft, die KI schafft. Oder besser, die wir Menschen KI zuschreiben. Buchstäblich erzählen Menschen Mythen um KI und um digitale Technologien. 

Das, was uns in der Zukunft dann determiniert, wird auch eine veränderte technologische Umgebung sein, aber auch die zutiefst menschliche Suche nach Grund und Glaube, nach Unterhaltung und Faszination. Nach Mythen, die immer auch bestimmt werden von den Medien, mit denen sie kommen: Papyrus für die Weltreligionen, eine Timeline für ganz andere Sekten und Special Interests. So wie Feuer früher Teil von Natur-Religionen war, verbindet das Leuchten von Screens Jünger*innen ganz anderer Stämme. Das Internet ist Teil von gegenwärtigen und zukünftigen Mythologien und Verschwörungserzählungen. Und Florian Kreier hat da auch ungefähr jede philosophische Aporie wiedergefunden, die er in seinem Polit-Studium kennengelernt hat.

Er hat sich selbst sogar als Medium benutzt, hat mehrere Ted-Talks über Künstliche Intelligenz und Transhumanismus laufen und sein Gehirn als Tracker mitlaufen lassen, als Cut-Up-Maschine. Um dann - nach diesem Filtern - mit der Gitarre Songs daraus zu schreiben.

Das ist nicht nur Faszination und Freude an wilden, absurden Ideen, das ist auch politische Verantwortung. Denn Angela Aux findet, ob Autos autonom fahren dürfen, oder ob Blockchains möglicherweise die Grundlage sein können für viel effektivere internationale Verträge - das sind Themen, mit denen müssen wir uns alle beschäftigen. Denn nur dann können wir unsere eigenen Interessen und Ansprüche formulieren.

Der Sound dieses Albums ist in seiner akustischen Luftigkeit, mit den Synthie-Slides und Streicher-Melodie-Bögen gemacht dafür, die eigenen Gedanken draufzulegen und mitgleiten zu lassen.

Und es hört sich geschmeidig wie Indie-Pop, oder Krypto-Folk, wie Angela Aux es nennt, ist aber vielschichtiger. Songstrukturen bilden fehlende Puzzle-Teile nach („Missing Link“), Streicher funktionieren wie an Stöcke gebundene Möhren, die uns reinziehen in den Song, und dann wie in einem Bugs-Bunny-Cartoon die Lyrics kommentieren („Start a Fire“).

Der Bass ist der heimlich und in seiner dunklen Mulmigkeit oft auch der unheimliche Star der Instrumente. Ihm zur Seite Synthies und Streicher, die die Flächen geben und den Schwung, aber auch verschiedene Klang-Ebenen, Verzerrungen, die es eben viel komplexer machen als bloßen Indie-Folk. Da ist Angela Aux ganz klar Camp Bon Iver oder Tame Impala. Und die Drums, ohne viel drumrum, sind so krisp und klar wie zurückhaltend. Florian Kreier ist im Hip Hop, ist mit Rap-Musik sozialisiert - auch kein Zufall, dass der Albumtitel „Instinctive Travels on the Paths of Space and Time“ an das Debütalbum von A Tribe Called Quest erinnert. Und zu Recht fühlt man sich an manchen Stellen an die Lyrics von Bob Marley erinnert.

Angela Aux gehört auch zu einem diesem Stamm auf der Suche und im Ergründen. Bis zu welchen Grenzen kann sich unser menschliches Bewusstsein das ganz Andere vorstellen? Träume, Visionen, Narrative - sind das die eigentlichen humanen Superkräfte? Und wann wird der Mensch, der die Evolution mit Feuer, Dampfmaschinen, der Elektrizität und dem Internet überwunden zu haben schien, von ihr überholt?

Angesichts solcher Fragen, kommt man sich in den unendlichen Weiten des Universums (oder der Internets) dann schon auch klein und allein vor. Aber nach der Exkursion, nach der Tour de Vorstellungsforce, die dieses Album ist, lässt uns Angela Aux nicht allein, und bringt uns nach Hause, im letzten Titel, in „Home“. Ein Song, der mit dem sanften Shaker, der fingergezupften Akustikgitarre und den molligen Synthies ist wie das warme weiche Bett, das das eigene Bewusstsein jedem:r von uns sein sollte. Ein Song, dessen Text seine Kraft darin findet, das Vertrauen in die Zukunft zu werfen, eine Zukunft, die dem Tod nicht trotzt, sondern seine Gewissheit als Trampolin benutzt.

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